Labor erleben | Reportage
Wie ein kleines Wunder
Die alltägliche Reise einer Blutprobe vom Patienten ins Labor
Sven Appel

Für einen großen Teil der medizinischen Laboruntersuchungen bildet Blut die Grundlage. Und so sind wohl die meisten Menschen schon einmal in den „Genuss“ gekommen, sich Blut abnehmen zu lassen. Aber was nach dem kleinen Pikser mit der eigenen Blutprobe passiert, wissen wohl die wenigsten. Wir zeigen Ihnen in diesem Beitrag die „Reise der Röhrchen“, wie sie so oder ähnlich in Deutschland mit großem logistischem und technischem Aufwand täglich Hunderttausende Male stattfindet. In unserem Fall startet die Reise an einem Donnerstagmorgen im Januar 2023 in der Praxis an der Mühle in Nebel auf der Nordseeinsel Amrum.

08:00 Uhr
Blutentnahme
Um kurz nach 08:00 Uhr nimmt Mara Jensen, Auszubildende zur MFA, eine Blutprobe von Caroline Schult. Sie ist die erste von fünf Patient*innen, die an diesem Morgen zur Blutabnahme in die Praxis an der Mühle von Inselärztin Dr. Claudia Derichs kommen.

08:07 Uhr
Barcode aufkleben
Damit nichts verloren geht: Mara Jensen versieht jedes Röhrchen der Patientin und den dazugehörigen Anforderungsbogen für das Labor mit einem identischen Barcodeaufkleber. Parallel wird die Laboranforderung „Order Entry“ mit den administrativen Patientendaten digital ins Labor übertragen. Trifft die Blutprobe im Labor ein, lesen die Labormitarbeiter die Barcodes ein. So stellen sie sicher, dass Laborauftrag, Blutprobe und schließlich der Befund einer Patientin oder eines Patienten tatsächlich zusammengehören.

08:23 Uhr
Verpacken der Proben für den Transport
Ist die Blutabnahme abgeschlossen, werden die Proben zusammen mit dem Anforderungsschein für den sicheren Transport in das Labor aus hygienischen Gründen und gemäß der geltenden Transportnorm
zunächst in einen speziellen Beutel gelegt. In einigen Regionen ermöglicht eine innovative Transportbox bereits den Verzicht auf die Plastikbeutel.

08:57 Uhr
Übergabe an den Kurier
Auf Amrum selbst wird der Transport von einem Kurier übernommen. Hier nimmt Jens Petersen den Beutel mit den Proben von Angelika Dohrmann, Medizinische Fachangestellte in der Praxis an der Mühle, entgegen.

09:04 Uhr
Das bisschen „Schietwetter“ macht dem ehemaligen Kapitän und Vormann eines Seenotrettungskreuzers nun wirklich nichts aus. Mit seinem Taxi bringt er den speziellen Probentransportbehälter zum Fähranleger in Wittdün.

09:28 Uhr
Übergabe an der Fähre in Wittdün auf Amrum
Kurz vor halb zehn an der Fähre: Keine Zeit für „Klönschnack“ – jetzt muss die kostbare und sicher verschlossene Fracht über die Nordsee ans Festland.

Thorsten Lange nimmt die Proben der Inselärztin entgegen und schickt leere Behälter für den Transport am nächsten Morgen zurück nach Amrum. Übrigens: Für den Transport medizinischer Proben nutzt der zertifizierte Logistikspezialist Intermed besondere Transportbehälter, um einen fachgerechten Transport, etwa in bestimmten Temperaturbereichen, zu gewährleisten.

11:28 Uhr
Übergabe an den intermed-Fahrer in Dagebüll
Nach zwei Stunden Fahrt legt die Fähre in Dagebüll an. Der Fahrer des auf den Transport von medizinischen Proben spezialisierten Logistikunternehmens steht schon bereit.

13:19 Uhr
Beladung des Caddys in Dagebüll
Noch rund 150 Kilometer zum Labor: Lange lädt die Proben am Fähranleger
Dagebüll in einen Pkw und bringt sie zu einem Sammelpunkt. Von dort aus werden die Proben von Amrum zusammen mit Proben aus weiteren Praxen und Kliniken an der Küste in das LADR Laborzentrum Nord nach Flintbek gefahren.

14:30 Uhr
Ankunft der Proben im Labor
Reichlich Fracht: Gegen 14:30 Uhr erreicht Fahrer Frank Müller mit den Proben von den Nordfriesischen Inseln und dem Festland im nördlichen Schleswig-Holstein das LADR Laborzentrum Nord in Flintbek bei Kiel.

14:36 Uhr
Probenannahme
Passen Laborauftragsschein und die Angaben auf den Proben zusammen? Nach der Ankunft im Labor wandern die Proben in den Bereich Präanalytik. Hier nehmen Uta Schulz (vorn) und Monika Frings die Probenröhrchen mit prüfendem Blick aus dem Transportbeutel und nehmen eine erste Sortierung, zum Beispiel von besonders eiligen Proben, vor.

15:06 Uhr

Übergabe der Proben in den Schüttsortierer
Es gibt verschiedene Arten von Blutproben: Das Sortieren überlässt Monika Frings einem Automaten, der anhand von Form und Farbe der Verschlusskappen erkennt, in welchen Röhrchen sich etwa Vollblut, Serum, EDTA oder Citrat befinden. Bei der Sortierung wird zudem der Eingang der Röhrchen elektronisch erfasst – es ist exakt 15:06 Uhr, als die Probe der Amrumerin Caroline Schult diesen Vorgang durchläuft. Die Daten werden an das digitale Laborinformationssystem übermittelt.

15:23 Uhr
Tanja Lettau am PVT
Damit Ärzte und ihre Patienten die Ergebnisse aus dem Labor möglichst schnell erhalten, ist angesichts Zehntausender Proben täglich ein hoher Grad an Automatisierung notwendig. Hier wirft Tanja Lettau, Leiterin der Präanalytik und stellvertretende Qualitätsmanagement-Beauftragte einen Blick auf den Probenverteiler, der die Röhrchen der vom behandelnden Arzt angeforderten Analytik zuführt. Auch dieser Vorgang wird digital dokumentiert.

15:58 Uhr
Gespräch in der Hämatologie
Trotz Automatisierung steht der Mensch im Mittelpunkt – das gilt auch für die Mitarbeitenden im Labor. Hier tauschen sich die Fachärztin für Laboratoriumsmedizin Tatiana Leptin, die leitende MTLA Anne-Sophie Hauk und Diana Borchukova, Mitarbeiterin in der Fachanalytik, über das Verhältnis von Erythrozyten, Lymphozyten und Monozyten im Blutbild aus. Automatisierung und Digitalisierung gehen Hand in Hand mit der Expertise des qualifizierten Fachpersonals und sind unerlässlich für eine effiziente labormedizinische Patientenversorgung. Erst wenn alle Werte noch einmal geprüft worden sind, wird der Befund von einer Fachärztin für Laboratoriumsmedizin freigegeben.

17:29 Uhr
Befund und Fazit der Inselärztin Dr. Derichs
Inselärztin Dr. Claudia Derichs kann auf den kompletten Laborbefund der Blutprobe von Caroline Schult zugreifen. Die Praxis erhält ihre Befunde aus dem Labor per Datenfernübertragung (DFÜ) und kann darauf mit ihrer eigenen Praxissoftware zugreifen. Die Befunde zu den Blutproben erhalten Ärzte und ihre Patienten von den Facharztlaboren oft noch am selben Tag, in eiligen Fällen binnen Stunden. Dr. Claudia Derichs findet: „Dass dieser komplexe Vorgang aus Logistik und Laboruntersuchung in der Regel reibungslos läuft, ist für mich wie ein kleines Wunder.“ Manchmal zeigt sich im Laborbefund eine nicht erwartete Gefahr für das Leben einer Patientin oder eines Patienten. Dann alarmieren die Fachärzte aus dem Labor die behandelnden Ärzte sofort.
Eine spannende Reise
Wer das nächste Mal eine Blutprobe abgeben muss, denkt vielleicht daran: Während sie oder er vielleicht schon bei der Arbeit am Schreibtisch sitzt oder anderweitig ihrem oder seinem Alltag nachgeht, machen die Röhrchen mit der eigenen Blutprobe gerade eine durchaus spannende Reise.
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