ALM aktuell 10/2019

Die Mitgliedslabore des ALM e.V. unterstützen die Versorgungsforschung

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Die etwa 900 Fachärzte der Mitgliedslabore im ALM e. V. versorgen jeden Tag etwa eine halbe Million Patienten – das entspricht über 173 Millionen Behandlungsfällen im Jahr. Die Einführung digitaler und technischer Innovationen in der Labormedizin trägt dazu bei, die Versorgung sicherer zu machen, Erkrankungen schneller zu diagnostizieren, besser zu behandeln und Infektionen oder Resistenzen effektiver zu bekämpfen.

Prof. Dr. Jan Kramer, Vorstandsmitglied und Sprecher der AG Versorgungsforschung des ALM e.V.

Patient*innenrechte und Datenschutz haben dabei oberste Priorität. Pro Tag erhalten die Facharztlabore des ALM e.V. etwa 712.000 Aufträge, das entspricht mit ca. 4,5 Millionen Einzelergebnissen an einem Tag einer enormen Menge an für die Patientenversorgung wichtigen Daten und Informationen – ein Wissensschatz, aus dem zum Nutzen der Patient*innen Rückschlüsse auf die Versorgung gezogen werden können. Neben dem gesetzlichen Meldewesen in der täglichen Laborroutine werden anonymisierte Labordaten im Rahmen der AG Versorgungsforschung des ALM e.V. auch im Hinblick auf versorgungsrelevante Fragen wissenschaftlich betrachtet. Dies geschieht retrospektiv anonymisiert in Kooperationen mit wissenschaftlichen Partnern wie Universitäten, dem Institut für Gesundheitsforschung (IGES) oder dem Institut für angewandte Gesundheitsforschung (InGef) Berlin.

Die Arbeitsgruppe Versorgungsforschung des ALM e. V. verfolgt die Aufgabe, anonymisiert Daten der ALM-Mitgliedslabore zu aktuellen Fragen in der Patientenversorgung wissenschaftlich auszuwerten, um den Einsatz von Labordiagnostik sinnvoll zu gestalten und Unter- bzw. Überversorgung von Patient*innen laborärztlich aufzuzeigen.

Labordiagnostik ist die Basis für ein erfolgreiches Meldewesen und für die Infektionsprävention

Die laborärztliche mikrobiologische Diagnostik der medizinischen Labore spielt eine entscheidende Rolle für den Infektionsschutz in Deutschland (Abb. 1). So stammen die meisten meldepflichtigen Daten an die Gesundheitsämter aus den medizinischen Laborarztpraxen. Im Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) ist gemäß § 1 der Zweck festgehalten, übertragbaren Krankheiten vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen sowie ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Im IfSG sind auch die Meldepflichten der Laborärzt*in bei labordiagnostischem Nachweis von Krankheitserregern als Hinweis auf eine akute Infektion (§ 7) und der Ärzt*in an die Patient*in bei Verdacht einer Erkrankung, Diagnose einer Erkrankung sowie Tod in Bezug auf definierte Infektionskrankheiten (§ 6) festgelegt.

Abbildung 1: Melde- und Übermittlungsweg gemäß Infektionsschutzgesetz (Quelle: Robert Koch-Institut, Infektionsepidemiologisches Jahrbuch 2018)
Abbildung 1: Melde- und Übermittlungsweg gemäß Infektionsschutzgesetz
(Quelle: Robert Koch-Institut, Infektionsepidemiologisches Jahrbuch 2018)

Impfungen sind eine der wichtigsten präventiven Leistungen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit der Bevölkerung. Medizinische Labordiagnostik dient hierbei häufig zur Überprüfung des Impferfolgs. Damit ist die Labordiagnostik sowohl die Basis für ein erfolgreiches Meldewesen als auch für die Infektionsprävention. Daten aus den medizinischen Laboren tragen zudem entscheidend zur Übersicht der Keim- und Resistenzsituation in den Surveillance-Berichten gemäß der Antibiotika-Resistenz-Strategie in Deutschland bei.

Die wissenschaftlich anonymisierte Datenauswertung der Labore ergänzt das Meldewesen

Im infektionsepidemiologischen Jahrbuch des Robert Koch-Instituts (RKI, 2018) wird eine Zunahme der Fälle der Hepatitis B und C seit 2015 aufgrund der Änderung der Referenzdefinition, der vermehrten Testung Asylsuchender sowie der IfSG- Änderung 2017 angegeben. Die AG Versorgungsforschung des ALM e. V. konnte jedoch auf Laboranforderungsebene zusätzlich transparent darstellen, dass die Laborreform des EBM vom 01.04.2018 im Hinblick auf die Früherkennung der Hepatitis B und C gegen den Infektionsschutz in Deutschland arbeitet und einen entsprechenden Rückgang der Anforderung von HBsAg (EBM 32781) um 7,4 % und anti-HCV (EBM 32618) um 9,4 % seit Beginn der Reform nachweisen (Kramer et al., 2019; Journal of Viral Hepatitis).

Aus Sicht der Laborärzt*innen ist es eine ethisch-ärztliche Pflicht, darauf hinzuweisen, dass eine strukturelle Vergütungsreform, welche die Nichtanforderung von Labordiagnostik durch Ärzt*innen finanziell honoriert, auch zu einem deutlichen Rückgang von Laborwerten geführt hat, die entscheidend für den Infektionsschutz und die Früherkennung von Infektionskrankheiten sind. Auch von einer Verbesserung der Indikationsqualität kann in diesem Zusammenhang keinesfalls gesprochen werden.

In einer aktuellen retrospektiven Auswertung anonymisierter Daten konnte die AG Versorgungsforschung darüber hinaus nachweisen, dass die Anforderungen von Laboruntersuchungen des Infektionsschutzes im Bereich Impf- und Meldewesen sowie zur Diagnostik sexuell übertragbarer Erkrankungen seit Beginn der EBM-Laborreform um bis zu 10 % zurückgegangen sind (Abb. 2). In die Datenauswertung gingen die in Klammern dargestellten EBM-Ziffern für die Labordiagnostik von Masern (32623), Mumps (32624), Varizellen (32629, 32630), Pertussis (32585, 32829), Rotavirus (32790), HIV (32575), Lues (32566), Chlamydien (kurativ: 32826; präventiv: 01915, 01840, 01816), Gonokokken (32703, 32741, 32836), Humanes Papillomvirus und HPV (32819, 32820) ein.

Rückgang der Anforderung von Labordiagnostik im Bereich des Infektionsschutzes und der Erkennung sexuell übertragbarer Infektionskrankheiten Q1– Q4 2018.
Abbildung 2: Rückgang der Anforderung von Labordiagnostik im Bereich des Infektionsschutzes und der Erkennung sexuell übertragbarer Infektionskrankheiten Q1– Q4 2018. (Unveröffentlichte Originaldaten der AG Versorgungsforschung, Prof. Dr. med. Jan Kramer, 2019.)

Zwar hat die Bedeutung der HPV-Testung durch medizinische Labore in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und ihre Veranlassung ist von den entsprechenden Fachgesellschaften und gesundheitspolitisch gewollt. Umso alarmierender ist es, dass nach der Laborreform 2018 im Vergleich zum Vorjahr die Laboranforderungen im 3. bzw. 4. Quartal 2018 zum Nachweis von HPV-DNA aus einem Körpersaft (EBM 32819) um 24 % bzw. 16 % sowie der HPV-Nachweis aus einem Zervix- oder Vaginalabstrich (EBM 32820) um 21 % bzw. 25 % zurückgegangen sind. Die Analysen der AG Versorgungsforschung des ALM e. V. lassen den Schluss zu, dass es eines Überdenkens der (Fehl-) Anreize im Bereich der Labormedizin bedarf: Statt an der Labordiagnostik zu sparen, sollte besser mehr Geld in Programme zur Stärkung der Indikationsqualität fließen.

In dieser Ausgabe
Prof. Dr. Jan Kramer, Stellvertretender Vorsitzender und Sprecher der AG Versorgungsforschung des ALM e.V.
Prof. Dr. Jan Kramer Vorstand und Sprecher der AG Versorgungsforschung des ALM e.V.
Prof. Kramer ist Facharzt für Laboratoriumsmedizin und für Innere Medizin, Hämostaseologie. Er ist Vorstandsmitglied und Sprecher der AG Versorgungsforschung des ALM e.V. sowie Ärztlicher Leiter und Geschäftsführer des LADR Laborverbundes Dr. Kramer & Kollegen.
Prof. Dr. Jan Kramer, Stellvertretender Vorsitzender und Sprecher der AG Versorgungsforschung des ALM e.V.
Prof. Dr. Jan Kramer Vorstand und Sprecher der AG Versorgungsforschung des ALM e.V.
Prof. Kramer ist Facharzt für Laboratoriumsmedizin und für Innere Medizin, Hämostaseologie. Er ist Vorstandsmitglied und Sprecher der AG Versorgungsforschung des ALM e.V. sowie Ärztlicher Leiter und Geschäftsführer des LADR Laborverbundes Dr. Kramer & Kollegen.

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