Kommunikation in die Gesellschaft mit einfachen, klaren Botschaften, Ehrlichkeit und Transparenz
Mit der Verfügbarkeit immer weiter steigender PCR-Testkapazitäten wuchsen jenseits der medizinischen Perspektive, in deren Fokus die Identifizierung von Infizierten, die rasche Nachverfolgung von Kontaktpersonen zur Identifizierung von Infektionsketten und darüber hinaus die präventive Testung zum Schutz vulnerabler Gruppen stand, „Begehrlichkeiten“ aus dem gesellschaftlichen Leben. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem ersten Lockdown im Frühjahr entwickelte sich die Hoffnung, man könne sich mit einem negativen SARS-CoV-2-Befund „freitesten“ und die Pandemie auch mit gelockerten Hygienemaßnahmen kontrollieren.
Besonders im Spätsommer, als vor dem Hintergrund des geringen SARS-CoV-2-Infektionsgeschehens Lockerungen in Kraft traten und das Reisegeschehen deutlich zunahm, wurden durch die gezielten Testungen von Reiserückkehrer*innen zunehmend COVID-19-Fälle entdeckt. Die Pandemie gewann wieder deutlich an Dynamik. Wurden im Frühjahr 2020 die 7-Tages-Inzidenzwerte von 35/100.000 oder gar 50/100.000 als sehr bedrohlich empfunden, gab es ab Herbst Regionen mit vielfach höherer wöchentlicher Inzidenz. Die Toleranzschwelle, welche Infektionszahlen als akzeptabel wahrgenommen wurden, stieg deutlich an.
Die Meinungs- und Debattenvielfalt, insbesondere die uneinheitliche Vorgehensweise der einzelnen Bundesländer, führte zunehmend zu unklaren Botschaften an die Bevölkerung und zu Unverständnis für die einzelnen Maßnahmen. Wer das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen und erhalten möchte, ist gut beraten mit hoher Transparenz, Verlässlichkeit und Offenheit sowie Ehrlichkeit in den Aussagen. Hier kommt den Medien eine besondere Aufgabe und Verantwortung zu, denn sie sind es, die die Informationen in die Gesellschaft hineintragen.
Point-of-Care-Antigentests („Schnelltests“), Selbsttests und private Testzentren
Mit den Antigentests zum Nachweis von SARS-CoV-2, zunächst in Form der Point-of-Care-Tests (POCT) zur Anwendung durch medizinisches Fachpersonal, wurde auch seitens der Hersteller der Eindruck eines nahezu unlimitierten Testangebotes in der Bevölkerung geweckt. Zusätzlich befördert wird dies durch die vehement geforderte Zulassung von SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung („Selbsttests“). Wie bei den „PCR-Testungen für alle“ ist auch hier die Sehnsucht groß, die geltenden Hygiene- und weiteren Schutzmaßnahmen überflüssig zu machen. Point-of-Care-Antigentests können in vielen Fällen bisher nicht entdeckte Infektionen erkennen und stellen, klug und zielgerichtet genutzt und angewendet, eine sinnvolle Ergänzung bereits bestehender und umgesetzter Infektionsschutz- und Hygienekonzepte dar.
Der Erfolg für eine weitere Eindämmung der COVID-19-Pandemie mit breiter Nutzung von Antigentests hängt jedoch entscheidend von der Compliance der Bevölkerung bezüglich der weiteren Infektionsschutzmaßnahmen ab. Es wird darauf ankommen, dass jede Person eigenverantwortlich und möglichst gut informiert handelt. Zusätzlich ist es wichtig, dass die Ärzteschaft ihnen zur Seite steht und dabei hilft, insbesondere durch eine verantwortungsvolle Aufklärung und Betreuung.
Dabei bleibt es von entscheidender Bedeutung, positive Antigen-Schnelltests durch PCR-Tests zu bestätigen und zwecks Einleitung entsprechender Maßnahmen wie Quarantäne oder Kontaktnachverfolgung an die Gesundheitsämter zu melden. Nur über diesen Weg kann zudem der Überblick über das eigentliche Infektionsgeschehen sichergestellt werden.
Mit den privaten und primär als Geschäftsmodell ausgelegten Testzentren entstanden auch Strukturen außerhalb der ärztlichen Praxis. Als ein kritisches Signal ist dabei zu bewerten, dass in den BMG-Rechtsverordnungen der Arztvorbehalt in der Heilkunde bei der SARS-CoV-2-Diagnostik aufgehoben wurde. Ob allein mit dem breiten Angebot von SARS-CoV-2-Tests das Infektionsgeschehen nachhaltig eingedämmt werden kann, erscheint fraglich. Der Blick über die Grenzen hinweg in Länder, die damit Erfahrung haben, weist eher darauf hin, dass vermehrtes Testen den mit Lockerungen verbundenen Wiederanstieg der Neuinfektionen nicht aufzuhalten vermag.
Es scheint eher so, dass die Anzahl der durchgeführten Tests bzw. der Grad der Freizügigkeit des Zuganges zur SARS-CoV-2-Diagnostik alleine wenig Einfluss auf das Infektionsgeschehen hatte und hat in der Weise, dass dadurch die Pandemie hätte eingedämmt werden können. Erfahrungsberichte und Studien vermitteln jedoch den Eindruck, dass anlassbezogene Labordiagnostik zusammen mit einem am Ergebnis ausgerichteten Verhaltensmanagement durchaus positive Effekte erzielen können.
Das Zusammenspiel aus einem einrichtungsspezifischen Hygienekonzept und dem Angebot einer niedrigschwellig verfügbaren SARS-CoV-2-Diagnostik erlaubt den Betroffenen, insbesondere bei Risikokontakten oder der Entwicklung von Symptomen, frühzeitig Klarheit über eine mögliche Infektion zu erlangen und weitere Infektionen zu vermeiden.
SARS-CoV-2-Diagnostik ist ärztliche Aufgabe – wir übernehmen Verantwortung
Wichtig ist und bleibt, die Sensibilität für die strikte und konsequente Einhaltung der grundlegenden Verhaltensregeln zum Infektionsschutz, AHA + L + App nutzen + Kontaktreduktion, zu schärfen. Das gilt unabhängig vom Testergebnis. Den Ärztinnen und Ärzten wie auch allen anderen Verantwortlichen im Labor kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Wir sind mit der Diagnostik vertraut und kennen die Leistungsfähigkeit und die Leistungsgrenzen der verfügbaren Methoden und Tests, interpretieren diese, helfen bei der Einordnung von Sensitivität, Spezifität und beraten zur Bedeutung von negativ und positiv prädiktivem Wert (NPV, PPV) in der Zusammenarbeit mit den zuweisenden Praxen und Krankenhäusern und auch im Gespräch mit ratsuchenden Patientinnen und Patienten.