Auch wenn die Hersteller von In-Vitro-Diagnostika (IVD) derzeit große Versprechen für eine schnelle Verfügbarkeit der SARS-CoV-2-Antigentests in der Praxis machen und ihre Vertriebsaktivitäten bereits auf vollen Touren laufen: Die Akkreditierten Labore in der Medizin – ALM e.V. dämpfen die Hoffnungen auf einen schnellen flächendeckenden Einsatz der Tests: „Aktuell wurden seitens der Hersteller noch keine Antigentests für den Einsatz im Labor verfügbar gemacht“, sagt Dr. Michael Müller. Der 1. Vorsitzende des fachärztlichen Berufsverbandes betont: „In der Medizin sollte Sicherheit und Nutzen immer vor Schnelligkeit gehen. Deshalb hat es für uns als Fachärzte oberste Priorität, zur Sicherheit jedes Einzelnen und aller Menschen, zunächst die Qualität der Herstellerangaben in der Versorgung zu überprüfen und erst dann die Tests sinnvoll in die Nationale Teststrategie zu integrieren.“
Ärztinnen und Ärzte brauchten Klarheit darüber, ob, wie und in welchen Situationen die SARS-CoV-2-Antigentests sinnvoll eingesetzt werden können, so der ALM e.V. „Wir wissen um die etwas niedrigere Sensitivität der Tests. Hier bedarf es vergleichender Untersuchungen und Bewertungen von PCR- und Antigentests. Daran wird mit Hochdruck gearbeitet“, erklärt Prof. Jan Kramer. „Auch wir hoffen, mit guten Antigentests die PCR-Testkapazitäten entlasten zu können. Aber es bleibt natürlich zu diskutieren, welches Maß an geringerer Sensitivität (Gefahr falsch negativer Ergebnisse) und Spezifität (Gefahr falsch positiver Ergebnisse) der Antigentests im Vergleich zum „Goldstandard“ PCR-Test akzeptiert werden kann“, so der Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Internist. Grundsätzlich obliege die letztliche Entscheidung darüber, welcher Test – PCR oder Antigen – angewendet werden soll, ohnehin den Expertinnen und Experten im Labor.
Zwar habe der Bewertungsausschuss in Rekordzeit – wohl auch auf Druck der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), die in der angespannten Finanzlage ihre Kassen mit den dann günstigeren Antigentests entlasten wollen – eine EBM-Ziffer für die Antigentests und damit verbunden auch die Kostenerstattung festgelegt. „Jedoch sind die geforderten Voraussetzungen eines Laborarzt-Antigentests für eine Erstattung im EBM zum 1. Oktober 2020 noch gar nicht gegeben“, konstatiert Kramer. Denn weder stünden die Methoden der IVD-Hersteller im dafür notwendigen Ausmaß zur Verfügung noch hätten die Austestungen im Vergleich zum Goldstandard die erforderlichen Ergebnisse geliefert. Prof. Kramer: „Aktuell können wir damit nicht verlässlich Auskunft zur Sensitivität und Spezifität geben.“ Dieses Vorgehen, so der ALM e.V., überrasche, da doch sonst bei der Einführung neuer Methoden wie auch bei Arzneimitteln die wissenschaftliche Überprüfung von Qualität, Sicherheit und Nutzen höchste Priorität habe.
Angesichts der aufkommenden Fragen aus der Ärzteschaft, aber auch von Unternehmen und Einrichtungen im Gesundheitswesen, fordert der ALM e.V. deshalb alle am Prozess Beteiligten zu weitsichtigem Handeln auf: „Es macht keinen Sinn, auf die Schnelle Tests flächendeckend in die Versorgung bringen zu wollen ohne gesicherte Erkenntnisse zur Aussagekraft bei der flächendeckenden Anwendung. Diese Zeit für eine wissenschaftlich gestützte Überprüfung im Labor sollten wir uns nehmen, damit wir auch in Zukunft Sicherheit und Qualität der Versorgung mit Labordiagnostik garantieren können“, mahnt Dr. Michael Müller und ergänzt: „Sonst könnte am Ende der Eindruck entstehen, es sollten einfach nur massenweise Tests schnell in den Markt gedrückt werden – ohne Rücksicht auf Verluste.“
Ein Hinweis in eigener Sache: Um insbesondere Landrät*innen und Bürgermeister*innen sowie Entscheider*innen für die labordiagnostische Versorgung vor Ort einen besseren Überblick zu geben, haben wir die Informationsseite „Corona Diagnostik Insights“ mit Laborfinder sowie Zahlen, Daten und Fakten zur Covid-19-Labordiagnostik eingerichtet. Diese erreichen Sie unter www.corona-diagnostik-insights.de
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