MVZ-Debatte

Fakten und Impulse zur laufenden Debatte um die bevorstehende MVZ-Gesetzgebung

Fakten zur laufenden Debatte

Verteilung der MVZ in städtischen und ländlichen Regionen

Ende 2021 lag die Anzahl der MVZ bei knapp 4.200. Die neue Versorgungsform hat sich damit nach über 15 Jahren in der ambulanten Versorgungslandschaft in Deutschland fest etabliert. Dabei entspricht die Verteilung der MVZ zwischen Ballungsgebieten und ländlichen Regionen der Bevölkerungsverteilung.1

Anteil an der ambulanten Versorgung

Bei 44 Prozent der MVZ liegt die unmittelbare Inhaberschaft in ärztlicher Hand, bei weiteren 42 Prozent sind Krankenhäuser an der Inhaberschaft beteiligt. Ca. 14 Prozent aller an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Ärztinnen und Ärzte sind in einem MVZ tätig.2 Im Jahr 2021 wurden in der Humanmedizin nur knapp 13 Prozent der Sitze in der ambulanten Versorgung von MVZ betrieben. Die Zuwachsrate betrug 2019–2021 knapp 1 Prozentpunkt pro Jahr.

Nach Schätzungen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) können ca. 10 Prozent der Sitze MVZ-Gruppen mit Beteiligungskapital zugrechnet werden, sodass der Versorgungsanteil von MVZ mit Investorenbeteiligung im Jahr 2021 bei ca. 1,3 Prozent liegt. Bei einer konstanten Zuwachsrate würde der Versorgungsanteil im Jahr 2030 bei ca. 2 Prozent liegen.3 Auch das im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums im Jahr 2020 veröffentlichte Gutachten der Professoren Ladurner, Walter und Jochimsen konstatierte einen sehr geringen Anteil von investorenunterstützen MVZ an der ambulanten Versorgung.

Rechtliche Rahmenbedingungen und Abrechnungsverhalten

Durch § 95 Absatz 1 SGB V sowie § 30 der (Muster-) Berufsordnung (MBO) für die in Deutschland tätigen Ärzte und die Zugehörigkeit der ärztlichen Leitung eines MVZ zur KV ist bereits heute die Stellung der Ärzte gegenüber rein ökonomischen Interessen der Betreibergesellschaften besonders gestärkt und rechtlich klar geregelt. Auf Grundlage von § 106d SGB V (Abrechnungsprüfung) sowie anderer Regularien können die KVen bereits heute bei allen Akteuren in der ambulanten Versorgung gegen fehlerhafte Abrechnungen vorgehen.

Die höchsten Honorarvolumina wurden laut einer Studie des IGES-Instituts im Auftrag der KV Bayerns von Einrichtungen in vertragsärztlicher Trägerschaft erzielt. Im Vergleich dazu waren geringere Honorarvolumina bei MVZ in Trägerschaft privater Krankenhäuser zu verzeichnen (zu denen auch investorenunterstützte MVZ gehören).4

Folgen unbedachter Regulierung für diagnostische Fächer (am Beispiel der Labormedizin)

Räumliche und fachliche Beschränkungen

In der laufenden Debatte wurde mehrfach gefordert, MVZ räumlich auf den Einzugsbereich des Gründungskrankenhauses sowie fachlich auf die dort vertretenen Disziplinen einzuschränken. Solche Beschränkungen sind jedoch für die medizinische Versorgung der Bevölkerung kontraproduktiv: Größere MVZ-Labore und -Strukturen ermöglichen eine stärker spezialisierte Diagnostik, insbesondere in MVZ, in denen mehrere Fachärzte aus verschieden Gebieten der Labordiagnostik zusammenarbeiten (z. B. Labormedizin, Mikrobiologie, Pathologie). Dies ermöglicht den Aufbau eines fachbezogenen – und teilweise überregionalen – Kompetenznetzwerks über eigene Fachgebietsgrenzen hinweg. Das sich rapide entwickelnde medizinische Wissen wird somit allen im MVZ angestellten Ärzten zur Verfügung gestellt. Dadurch profitiert insbesondere auch die labormedizinische Versorgung in strukturschwachen Gebieten.

MVZ in der Labordiagnostik bieten durch die Schaffung organisatorischer Synergien und die dadurch erhöhte Effizienz eine nahezu perfekte Erreich- und Verfügbarkeit labordiagnostischer Leistungen in der Versorgung. Dies wird mithilfe einer breiten regionalen und überregionalen Logistik für den Probentransport ins Facharzt-Labor-MVZ erreicht, und zwar häufig rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche. An praktisch jedem Ort in Deutschland können so taggleich alle für die Grund- und Regelversorgung notwendigen labordiagnostischen Untersuchungen angeboten werden.

Eine negative Auswirkung fachlicher Beschränkungen wäre, dass das notwendige medizinische Fachwissen für eine gute labormedizinische Versorgung nicht zentral vorgehalten werden könnte: Solche Regularien führen dazu, dass im von interdisziplinären Strukturen geprägten Sektor der Labormedizin die Versorgung eingeschränkt und erschwert wird. Räumliche Beschränkungen würden wiederum die flächendeckende Versorgung gefährden, da dadurch der Vorteil überregional aktiver Strukturen entfallen würde.

Verbot fachgruppengleicher MVZ

Grenzen entlang von Facharztdisziplinen setzen zu wollen, entspringt einem eher starren Verständnis von Versorgung und verhindert den notwendigen fachlichen Austausch innerhalb der Disziplinen. So ist es in labormedizinischen MVZ mit mehreren Fachärzten für Laboratoriumsmedizin auch aufgrund der Breite des Fachgebiets üblich, dass sich zusätzlich zur breiten Qualifikation Expertisen in bestimmten Teilbereichen herausbilden und sich die Kollegen so ergänzen. Ähnliches gilt für andere fachärztliche Disziplinen (z. B. Innere Medizin mit sehr unterschiedlichen Teilgebieten, wie etwa Kardiologie oder Gastroenterologie).

Impulse für eine regulatorische Weiterentwicklung von MVZ

Transparenz und Qualität

Eine weiterführende Regulatorik sollte vor allem die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung und trägerübergreifend die Stärkung der Transparenz für Patienten im Blick haben. Qualitäts- und Transparenzregularien sollten trägerunabhängig und für alle an der ambulanten Versorgung beteiligten Akteure gelten. Zugleich ist darauf zu achten, dass diese nicht als „Warnschild“ nur für bestimmte Akteure gelten und zu einem überhöhten administrativen Aufwand für MVZ, BAG und Arztpraxen führen.

Auf der Grundlage der G-BA-Richtlinie „Richtlinie zur datengeschützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung“ könnte das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) zur Etablierung einer Datengrundlage in der ambulanten Versorgung Qualitätsindikatoren zur Messung der ambulanten Versorgungsqualität entwickeln. Die Rechtsgrundlage ergibt sich aus dem neunten Abschnitt des SGB V (Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, insbesondere aus §§ 136 ff.)

Stärkung der ärztlichen Leitung

Die Unabhängigkeit der ärztlichen Leitung eines MVZ ist bereits heute rechtlich garantiert (siehe oben: „Rechtliche Rahmenbedingungen“). Eine weitere Stärkung kann nur im Sinne der Patientenversorgung sein. Konkret könnte diese Stärkung beinhalten, dass die Leitung ausreichende Kontroll- und Aufsichtsbefugnis bekommt, zeitlich auskömmlich im MVZ beschäftigt ist und ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen in der vertragsärztlichen Versorgung nachweisen muss. Forderungen nach einem erweiterten Kündigungsschutz sind aus arbeitsrechtlicher Sicht problematisch.

Weiterführende Impulse

Bestmögliche Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung erfordern Investitionen in die Weiterentwicklung der Methoden und Verfahren sowie in die Modernisierung der Ausstattung und insbesondere in die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte im Gesundheitswesen. Die seit 2012 eingeführten Beschränkungen für die Gründung von MVZ haben dazu geführt, dass Investitionen künstlich erhöht wurden, um die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu ermöglichen. Die Folgen waren eine Bevorzugung größerer Kapitalgeberstrukturen und damit eine Verzerrung des Wettbewerbs, insbesondere auch zugunsten größerer privater Krankenhausbetreiber. Diese Hürden müssen abgebaut werden.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass alle seit Einführung des MVZ in die vertragsärztliche Versorgung beschlossenen einschränkenden Regelungen keinen wesentlichen Einfluss auf die Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung hatten, sondern vielmehr ein niedrigschwelliges Engagement in der ambulanten Versorgung erschweren, weshalb der Rechtsrahmen von 2004 wiederhergestellt werden sollte.

Berlin, März 2023

ALM-News-Service

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