ALM aktuell 07/2020: Die Datenerhebung des ALM e.V. 

SARS-CoV-2 in Deutschland: Leistungsfähigkeit der Facharztlabore zur Eindämmung der Pandemie

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Im Januar 2020 gab es die ersten Veröffentlichungen eines PCR-Protokolls zum Nachweis von SARS-CoV-2. Die fachärztlichen Labore entschieden sich angesichts der drohenden Ausbreitung der COVID-19-Infektion auch nach Europa und Deutschland zur frühzeitigen Etablierung der Diagnostik als Unterstützung der Diagnostik am Nationalen Konsiliarlaboratorium für Coronaviren am Institut der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Dr. Michael Müller und Uli Früh

Die Partner*innen der gemeinsamen Selbstverwaltung, der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung, haben bereits in der vierten Kalenderwoche über die Aufnahme einer Leistung zum Ausschluss bzw. Nachweis von SARS-CoV-2 mittels PCR beraten und beschließen die neue Leistung im EBM zum 01. Februar 2020.

Die beginnende Ausbreitung der Infektion auch in Deutschland und die damit verbundene vermehrte Nachfrage nach PCR-Diagnostik führten im Laufe des Februars zum Interesse an Informationen über die Verfügbarkeit von und die Anzahl durchgeführter Tests. So begann der ALM e. V. Ende Februar die Kooperation mit Uli Früh zur Einführung und Etablierung einer auf die SARS-CoV-2-Diagnostik bezogenen Datenerhebung.

Bereits Ende Februar wurde für die KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) durch eine erste Abfrage unter 44 Laboren, darunter 39 ALM-Mitgliedslabore, ein früher Überblick über das Testgeschehen erstellt. Dieser enthielt Angaben zur Anzahl der durchgeführten PCR-Tests sowie den vorhandenen Tageskapazitäten (also die mögliche Anzahl an Tests, die an einem Tag in den Laboren durchgeführt werden können) für die Kalenderwochen 9 und 10. Rasch wurde die Abfrage in Abstimmung mit dem Lagezentrum des BGM (Bundesgesundheitsministerium) und der Arbeitsgruppe aus dem RKI (Robert Koch-Institut), das ebenfalls Abfragen zur SARS-CoV-2-Diagnostik auf den Weg brachte, weiter strukturiert. Bereits ab der zweiten Datenerhebung wurden als wichtige zusätzliche Informationen die Zahl der positiven Befunde, der Rückstau (die Anzahl der zum Wochenende noch nicht abgearbeiteten Proben) sowie insbesondere Einschätzungen zu Lieferengpässen bei PCR-Reagenzien und Verbrauchsmaterialien erhoben. Mit 72 teilnehmenden Laboren bundesweit, darunter 60 ALM-Mitgliedslabore, wurde diese Abfrage sehr breit unterstützt. Ende Mai (KW 22) stellten 135 Labore ihre Daten zur Verfügung, darunter 98 Labore der ALM-Mitglieder.

Die Entscheidung, die wöchentliche Abfrage, die durch Uli Früh koordiniert und ausgewertet wird, kontinuierlich fortzuführen, fiel zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Ziel war und ist es, einen ausreichend detaillierten Überblick über das Test- und Leistungsgeschehen zu SARS-CoV-2 zu erhalten. Seit dem 16. März 2020 wird das Ergebnis der ALM-Datenerhebung jeweils montags am frühen Abend an BMG, KBV und RKI sowie an verschiedene Landeskrisenstäbe übermittelt. Die Daten aus dieser bundesweiten Erhebung stellen ca. 85 Prozent des gesamten Datenbestandes zum bundesweiten SARS-CoV-2-Testgeschehen dar, wenn man die Datenbasis des Robert Koch-Instituts als Referenz betrachtet. Im RKI erfolgt die Zusammenführung der ALM-Daten mit Ergebnissen aus weiteren Abfragen und Veröffentlichung mittwochs im täglichen Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19). 

Der Umfang der Datenabfrage wurde den Erfordernissen und dem Informationsbedarf entsprechend der COVID-19-Pandemieentwicklung kontinuierlich angepasst. So waren die Monate März und April gekennzeichnet von einem sehr dynamischen Infektionsgeschehen mit einem entsprechend steigendem Bedarf an Diagnostik. Aus diesem Grunde wurde die Datenabfrage inhaltlich um wichtige Angaben (siehe Tabelle 2) ergänzt. Ab Anfang April wurden zusätzlich Daten zur Antikörpertestung erhoben.

Tabelle 1: Übersicht über die Labore und ihre Daten
Tabelle 1: Übersicht über die Labore und ihre Daten
Tabelle 2: Inhalt und Umfang der ALM-Datenerhebung zur SARS-CoV-2-Diagnostik
Tabelle 2: Inhalt und Umfang der ALM-Datenerhebung zur SARS-CoV-2-Diagnostik

Die teilnehmenden Labore erhielten zur Vorbereitung die jeweils aktuelle Abfragetabelle in der Regel am Freitag der Abfragewoche durch die Uli Früh Consulting GmbH (UFCG) und wurden gebeten, die zu erhebenden Daten direkt am ersten Werktag der Folgewoche bis ca. 13.00 Uhr zu übermitteln. Vor der Zusammenfassung wurden sämtliche Daten für jedes einzelne Labor im Hinblick auf die Vollständigkeit und Plausibilität durch Uli Früh überprüft. Bei Auffälligkeiten erfolgte stets eine direkte Rücksprache mit dem teilnehmenden Labor. Auf diese Weise wurde eine belastbare und sehr verlässliche Datengrundlage zur Auswertung geschaffen (siehe Tabelle 3).

Tabelle 3: Zusammenfassung der Ergebnisse der ALM-Datenerhebung (Testzahl, positive Befunde, Kapazität)
Tabelle 3: Zusammenfassung der Ergebnisse der ALM-Datenerhebung (Testzahl, positive Befunde, Kapazität)

Zur Auswertung der Daten wurden die einzelnen Labore den Bundesländern ihres Standortes zugeordnet. Da es je nach Bundesland auch erhebliche „Mitversorgereffekte“ aus den dort ansässigen Laboren heraus für andere Bundesländer gibt, ist eine Darstellung der in den Bundesländern durchgeführten Tests weniger sinnvoll als die Darstellung der in den einzelnen Ländern verfügbaren Kapazitäten an PCR-Tests (siehe Tabelle 4).

In dieser Ausgabe
Tabelle 4: SARS-CoV-2-Testkapazittät je Woche (wöchentlich verfügbare Tests in Bund und Ländern)
Tabelle 4: SARS-CoV-2-Testkapazittät je Woche (wöchentlich verfügbare Tests in Bund und Ländern)

Das SARS-CoV-2-Infektionsgeschehen in Deutschland war gekennzeichnet von einer dynamischen Zunahme an Testungen in den Monaten März und April mit zunächst deutlicher Zunahme der positiven PCR-Befunde und deutlich rückläufiger Tendenz nach Einführung der Maßnahmen zur Abstandsregelung und allgemeinen Kontaktbeschränkung ab Mitte März beginnend. Dem steigenden Bedarf begegneten die fachärztlichen Labore durch einen massiven Aufbau zusätzlicher Testkapazitäten im März. Allgemein ist anerkannt, dass diese sehr früh bestehende Möglichkeit zu umfassenden und flächendeckenden PCR-Testungen im ambulanten vertragsärztlichen Bereich wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Verantwortlichen in der Gesundheitspolitik und den Bundesinstituten eine umfassende Bewertung der Gesamtlage der COVID-19-Infektion und deren Ausbreitung in Deutschland sicher und zuverlässig vornehmen konnten. Abbildung 1 spiegelt das eindrucksvoll wider.

Hier zeigt sich deutlich, dass der immense Ausbau der Testkapazitäten (blau) in den Monaten März und April von wöchentlich ca. 100.000 PCR-Tests Anfang März bis mehr ca. 850.000 PCR-Tests Ende Mai es ermöglichte, das Infektionsgeschehen, dargestellt durch die Entwicklung der vom RKI publizierten Anzahl der bestätigten Infektionsfälle (gelb) sowie der Anzahl der positiven PCR-Befunde (rot), durch fortlaufende gesicherte Durchführung aller angeforderten PCR-Untersuchungen (grün) stets umfassend abzubilden. Dies war insbesondere auch flächendeckend in allen Bundesländern zu jedem Zeitpunkt möglich.

Abbildung 1: Zusammenfassende Darstellung des PCR-Testgeschehens in Deutschland
Abbildung 1: Zusammenfassende Darstellung des PCR-Testgeschehens in Deutschland

Die einzelnen Labore versorgen je nach Lokalisation in unterschiedlichem Umfang auch Bereiche in benachbarten Bundesländern und leisten daher einen nicht unerheblichen Anteil an Mitversorgung. Insbesondere auch diese länderübergreifende Versorgung der Bevölkerung mit den zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie notwendigen PCR-Untersuchungen sichert eine lokal bzw. regional angepasste und den Erfordernissen der Pandemieeindämmung entsprechende Diagnostik mit SARS-CoV-2-PCR-Untersuchungen durch humanmedizinische Facharztlabore ab. Dabei stellen das in den ambulant tätigen vertragsärztlichen Laboren vorhandene flächendeckende Logistiknetzwerk für den Probentransport sowie die in weiten Bereichen schon digitalisierte Befundübermittlung weitere Erfolgskenngrößen für die Pandemieeindämmung dar.

Abbildung 2 stellt die Entwicklung der länderspezifischen Testkapazitäten seit Mitte März in einer besser vergleichbaren Art dar. Die Kennzahl „wöchentlich verfügbare Tests je 1.000 Bürger*innen“ ermöglicht es dabei, die vorhandenen Testkapazitäten auf die im Bundesland zu versorgende Bevölkerung zu beziehen. International wird die Verfügbarkeit von 1 Test je 1.000 Bürger*innen (graue Linie) als ausreichend angesehen. Für die Versorgung der Gesamtbevölkerung insgesamt und auch für jedes einzelne Bundesland war dieser „Break-even“-Punkt schon sehr früh erreicht. Zu berücksichtigen ist bei der Darstellung, dass hier ausschließlich die in der bundesweiten ALM-Datenerhebung eingebrachten Daten ausgewertet wurden. In einzelnen Bundesländern nehmen Labore, die SARS-CoV-2-Diagnostik durchführen, nicht an der ALM-Datenerhebung teil. Das ist beispielsweise in Hessen der Fall, sodass allein bedingt durch diesen Effekt hier die Kennzahl im Bundesländervergleich niedriger ausfällt.

Abbildung 2 belegt, dass die in Deutschland verfügbare SARS-CoV-2-PCR-Testkapazität den Orientierungsmaßstab 1 Test je 1.000 Bürger*innen um ein Vielfaches übersteigt.

Abbildung 2: Darstellung der Entwicklung der Testkapazitäten in Bund und Ländern (wöchentlich verfügbare Tests je 1.000 Bürger*innen)
Abbildung 2: Darstellung der Entwicklung der Testkapazitäten in Bund und Ländern (wöchentlich verfügbare Tests je 1.000 Bürger*innen)

In Tabelle 3 (siehe oben) sind zusätzlich zu den PCR-Testen auch die Ergebnisse der Datenerhebung für die Antikörpertests aufgeführt. Da in der Diskussion zu den Antikörpertests vordringlich die Frage nach den Möglichkeiten diskutiert wird, ob und in welcher Weise nach einer durchgemachten COVID-19-Erkrankung diese durch den Nachweis von Antikörpern bestätigt werden kann und ob dann auch von einer zumindest zeitweiligen Immunität gegenüber einer zweiten Infektion ausgegangen werden kann, wurden in die Erhebung nur die Bestimmungen der IgG-Antikörper aufgenommen. Hier zeigt sich seit der ersten Erhebung in der Kalenderwoche 15 (06.–12. April 2020), dass diese Diagnostik in zunehmendem Maße nachgefragt wird. Der Anteil an positiven Proben ist unter dem Gesichtspunkt möglicher Kreuzreaktivitäten entsprechend zurückhaltend zu bewerten.

Uns war es von Beginn der ALM-Datenerhebung ein Anliegen, mit den Daten einen signifikanten Beitrag zu leisten, damit das Infektions- und Testgeschehen in Deutschland frühzeitig umfassend bewertet werden und daraus die notwendigen und Schlüsse für das weitere Vorgehen gezogen werden können.
Die abschließende Abbildung 3 zeigt, dass die die Daten von Beginn an auch repräsentativ waren und damit die SARS-CoV-2-Diagnostik qualitativ richtig abgebildet haben. In der Abbildung sind in den Säulen die wöchentlich berichteten Zahlen an durchgeführten SARS-CoV-2-PCR-Tests dargestellt; die grüne Linie kennzeichnet den relativen Anteil der Testkapazität der Labore der ALM-Datenerhebung im Verhältnis zur Testkapazität, die durch das RKI berichtet wurde.

Ebenso bedeutungsvoll war eine höchstmögliche Transparenz der Ergebnisse der Datenerhebung in Richtung der teilnehmenden Labore und in Richtung der Einrichtungen, für die diese Daten zur weiteren Bewertung und Beratung einen Nutzen stiften konnten.

Abbildung 3: Darstellung der SARS-CoV-2-PCR-Testzahlen und -kapazitäten
Abbildung 3: Darstellung der SARS-CoV-2-PCR-Testzahlen und -kapazitäten
Dr. med. Michael Müller, 1. Vorstandsvorsitzender ALM e.V.
Dr. med. Michael Müller 1. Vorstandsvorsitzender
Dr. Michael Müller ist niedergelassener Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Geschäftsführer des MVZ Labor 28. Seit Mai 2016 ist er 1. Vorsitzender des ALM e.V.
Uli Früh, Inhaber und Geschäftsführer der Uli Früh Consulting GmbH in Reutlingen
Uli Früh Geschäftsführer Uli Früh Consulting GmbH
Uli Früh ist Inhaber und Geschäftsführer der Uli Früh Consulting GmbH in Reutlingen. Seit über 25 Jahren berät und unterstützt er Labore und deren Berufsverbände.
Dr. med. Michael Müller, 1. Vorstandsvorsitzender ALM e.V.
Dr. med. Michael Müller 1. Vorstandsvorsitzender
Dr. Michael Müller ist niedergelassener Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Geschäftsführer des MVZ Labor 28. Seit Mai 2016 ist er 1. Vorsitzender des ALM e.V.
Uli Früh, Inhaber und Geschäftsführer der Uli Früh Consulting GmbH in Reutlingen
Uli Früh Geschäftsführer Uli Früh Consulting GmbH
Uli Früh ist Inhaber und Geschäftsführer der Uli Früh Consulting GmbH in Reutlingen. Seit über 25 Jahren berät und unterstützt er Labore und deren Berufsverbände.

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