Labor erleben | Antworten finden

Präventionsmedizin für das Methusalem-Zeitalter

Können präventive Maßnahmen die Lebenserwartung und -qualität in der Bevölkerung erhöhen?

Dr. med. Barbara Scheer-Hochheimer

Seit Ende des 19. Jahrhunderts hat sich die Lebenserwartung bei der Geburt mehr als verdoppelt. Die fernere Lebenserwartung in den höheren Altersjahren ist ebenfalls gestiegen. Auch in der Zukunft ist mit einem weiteren Anstieg der Lebenserwartung zu rechnen.

Statistisches Bundesamt
Mädchen 2020/22
0
Jahre
Jungen 2020/22
0
Jahre

Das Thema Prävention gewinnt in der Bevölkerung immer mehr an Bedeutung, leben wir doch in einer Gesellschaft mit einer immer höheren Lebenserwartung. Diese gewonnene Lebenszeit soll mit gesundheitsbezogener Lebensqualität gefüllt sein. So wundert es nicht, dass mit dem in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegenen Zugang zu mehr Gesundheitsinformationen die Nachfrage nach Präventionsmöglichkeiten in der Labormedizin zugenommen hat. Innovative Labordiagnostik erhält zunehmende Beachtung. Ebenso nimmt der Wunsch nach einer individualisierten medizinischen Versorgung zu.

Neben der Bestimmung klassischer Laborparameter stehen inzwischen auch präventionsorientierte Laboranalysen (Präventiv- und Komplementärmedizin) durch akkreditierte Labore zur Verfügung.

Diese Labore haben im Rahmen eines umfangreichen Akkreditierungsprozesses nach DIN EN ISO 15189 gegenüber einer unabhängigen externen Stelle nachgewiesen, dass sie die Kompetenz zur Ausführung ihrer Aufgaben unter Beachtung geltender Normen und gesetzlicher Vorgaben besitzen. In Deutschland erfolgt dies gegenüber der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS), die die Prüfung in jährlichen Abständen wiederholt. Besonderes Augenmerk wird dabei auf Qualität und Patientensicherheit gelegt, geht es doch um die Gesundheit der Patienten.

Neben der Analyse biologischer Materialien gehört die Beratung über geeignete Testmethoden zu den Aufgaben der Labore. Der Laborarzt steht daher im klinischen Alltag mit dem behandelnden Arzt in einem regen Austausch, um die erhobenen Testergebnisse in Hinblick auf die Diagnose zu bewerten. Erst das partnerschaftliche Gespräch zwischen Ärzten sowie nachfolgend zwischen behandelndem Arzt und Patient macht aus einem Laborbefund eine runde Sache und eröffnet gegebenenfalls weiterführende diagnostische sowie therapeutische Schritte.

Forschung und Entwicklung führen zum Angebot neuer Laboranalysen, deren diagnostische Wertigkeit insbesondere für Laien oft schwer zu beurteilen ist. Diese Testmethoden müssen sich erst in der medizinischen Diagnostik bewähren. Es liegt stets im Interesse der Labormedizin, die Qualität der Laboranalytik zu verbessern. Man vergisst schnell, welch hohen Anforderungen akkreditierte Labore in der täglichen Routine Folge leisten. Hinter jedem Laborresultat steht ein ausgefeiltes Qualitätsmanagement-System. Die Qualität der Untersuchungsverfahren wird durch tägliche interne sowie externe Qualitätskontrollen sichergestellt.

Sind die gesetzlichen Voraussetzungen durch die Diagnostikahersteller zur Markteinführung erfüllt (CE- und IVDR-zertifizierte Verfahren), durchlaufen neue Laborparameter oder Testverfahren im Labor einen umfassenden Evaluierungs- und Validierungsprozess, bevor sie in der Laborroutine zum Einsatz kommen können. Erst der breite Einsatz einer Labormethode in der Routinediagnostik kann methodische Schwächen in Bezug auf Sensitivität und Spezifität aufdecken. So verschwinden selbst zunächst vielversprechende Testanalyten nach mehreren Jahren der klinischen Erprobung wieder vom Markt. Dies geschieht meist für Patienten unbemerkt. In der Vergangenheit hat es immer wieder solche Laborparameter gegeben, die in der längerfristigen Anwendung die in sie gesetzten Erwartungen leider nicht erfüllen konnten.

Sensitivität

Wahrscheinlichkeit, mit der ein Test erkrankte Personen als krank erkennt

Spezifität

Wahrscheinlichkeit, mit der nicht erkrankte Personen zuverlässig als gesund eingestuft werden

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Der Leistungskatalog der gesetzlichen und privaten Krankenkassen enthält gesetzlich verankert bereits zahlreiche Untersuchungen zur Früherkennung von Erkrankungen, beginnend mit den Früherkennungsuntersuchungen U1 bis U9 sowie U7a für Kinder und J1 für Teenager. Für Erwachsene schließen sich Früherkennungsuntersuchungen für Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) an. Auch verschiedene Krebsfrüherkennungsuntersuchungen gehören zum Leistungsumfang (Darmkrebs, Prostatakrebs, Gebärmutterhalskrebs, Mammografie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs sowie Hautkrebs-Screening). Im Oktober 2021 wurde ein Check-up auf Viruserkrankungen (Leberentzündung, verursacht durch Hepatitis-B- und -C-Viren) aufgenommen.

Nur wenige nehmen das gesetzliche Krebsfrüherkennungsprogramm in Anspruch:

50%
Etwa die Hälfte der anspruchsberechtigten 65-Jährigen nutzt das Angebot der Darmkrebs-Früherkennung (2012–2021)

Bei rund 500.000 neuen Krebserkrankungen pro Jahr in Deutschland überrascht es nicht, dass auch bezüglich Krebsvorsorge und -früherkennung die Nachfrage in der Präventionsmedizin zunimmt. Aber längst nicht alle Deutschen nehmen das gesetzliche Krebsfrüherkennungsprogramm in Anspruch. Laut Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hat beispielsweise in den Jahren 2012 bis 2021 nur etwa die Hälfte der anspruchsberechtigten 65-jährigen Menschen das Angebot der Darmkrebs-Früherkennung genutzt.

Neben den gesetzlich vorgesehenen Präventionsmaßnahmen, die von allen Krankenkassen übernommen werden, gibt es ein umfangreiches Angebot an individuellen Gesundheitsleistungen (kurz IGeL genannt). Die Inanspruchnahme dieser Leistungen sollte gut überlegt sein. Zur Entscheidung tragen Informationen über eine evidenzbasierte Diagnostik auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft bei. Das Wissen hierzu wird von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) in Form von systematisch entwickelten Leitlinien im Internet Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten zur Entscheidungsfindung zur Verfügung gestellt. Leitlinien spiegeln den gegenwärtigen Erkenntnisstand wider und sind regelhaft Grundlage für die Aufnahme von gesundheitsfördernden Maßnahmen in den Leistungskatalog der Krankenkassen.

Tumormarker in der Medizin sind eine Untergruppe der Biomarker. Es handelt sich um körpereigene Substanzen, die auf eine Krebserkrankung hinweisen. Sie werden von den Tumorzellen selbst oder von gesunden Körperzellen als Reaktion auf einen Tumor vermehrt gebildet.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)

Der Nutzen von Tumormarkern und weiteren Biomarkern ist für den Einsatz bei bereits nachgewiesenen Krebserkrankungen wissenschaftlich belegt. Auch für die Liquid Biopsy (Flüssigbiopsie) gibt es nach erfolgter Diagnosestellung eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten.

Für die vorbeugende Anwendung von Liquid-Biopsy-basierten Tests liegen allerdings meist noch zu wenige Daten aus unabhängigen Studien vor, um über ihren Einsatz in der Krebsfrüherkennung entscheiden zu können. Die Tücke steckt oft im Detail. Das kommerzielle Angebot von Selbstzahlerleistungen sagt noch nichts über ihren Nutzen aus. Als nachteilig erweist sich da die Vermarktung von neuen Biomarkern über die Medien ohne unabhängige ärztliche Beratung.

Niederschwellige Angebote können zwar die Teilnahme am Krebs-Screening erhöhen, bergen aber auch Risiken, sei es die Außerachtlassung von Kontraindikationen und präanalytischen Anforderungen an das Probenmaterial oder das Vorkommen von auffälligen Testergebnissen auch bei gutartigen Erkrankungen. Ein kompetentes und unabhängiges Informationsangebot bietet der Krebsinformationsdienst (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) kostenlos an. Er ist zu Neutralität verpflichtet. Der auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand angebotene Service vermeidet strikt Interessenkonflikte und kann telefonisch, online und per E-mail in Anspruch genommen werden. Bereits zum Thema Krebsfrüherkennung steht umfassendes Informationsmaterial zur Verfügung. Neu hinzugekommen ist ein Chat rund um die Themen familiäres Krebsrisiko, Prävention und Früherkennung.

Der KID berät an Prävention interessierte Bürger:innen auch darüber, ob der Nutzen eines Tests durch unabhängige Untersuchungen wissenschaftlich ausreichend belegt ist. Nur wer Vor- und Nachteile kennt, kann sich bewusst für oder gegen einen Früherkennungstest entscheiden. Ein falscher Alarm kann zu unnötigen, belastenden und teilweise sogar risikobehafteten Folgeuntersuchungen führen. Daher sollte man sich der Konsequenzen bewusst sein, die aus einem Testergebnis gezogen werden.

Broschüre des Krebsinformationsdienstes „Krebs vorbeugen: was kann ich tun?“

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